- Gesetzliche Grundlage: §§ 1671 und 1626 BGB
- Ziel: Schutz und Stabilität für das Kind, wenn gemeinsames Sorgerecht scheitert
- Zuständigkeit: Familiengericht am Wohnort des Kindes
- Voraussetzung: Nachweis, dass gemeinsames Sorgerecht dem Kindeswohl widerspricht
- Beteiligte: Eltern, Jugendamt, ggf. Verfahrensbeistand und Sachverständige
Wann vom „alleinigen Sorgerecht” gesprochen wird
Per Definition ist mit dem Begriff gemeint, dass eine Person allein für die Erziehung, Betreuung und rechtlichen Angelegenheiten eines Kindes verantwortlich ist. Sie trifft demnach Entscheidungen zu Schule, Arztbesuchen, Wohnort oder religiöser Erziehung eigenständig. Der andere Elternteil ist von diesen Entscheidungen ausgeschlossen.
Rechtlich betrachtet bleibt das Eltern-Kind-Verhältnis natürlich bestehen. Heißt, Unterhaltspflichten und das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils bleiben in der Regel unberührt. Das Familienrecht unterscheidet außerdem, ob das gesamte Sorgerecht oder nur bestimmte Teilbereiche (z. B. Aufenthaltsbestimmungsrecht) übertragen werden sollen.
Rechtliche Grundlage und Bedeutung
Die zentrale gesetzliche Regelung findet sich in § 1671 BGB. Dort heißt es:
„Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil davon allein überträgt, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.“
Das Gericht prüft also nicht, wer „besser“ erzieht, sondern was dem Kind guttut. Entscheidend ist hierbei das Kindeswohl, ein Begriff, der bewusst offen formuliert ist, um individuelle Lebenssituationen berücksichtigen zu können.
Dazu gehören Kriterien wie:
- die Bindung des Kindes zu beiden Eltern,
- die Fähigkeit zur Kooperation und Kommunikation,
- die Erziehungsfähigkeit, Stabilität und Lebensumstände der Eltern,
- und nicht zuletzt der Wille des Kindes selbst (je nach Alter und Reife).
Wann ist das alleinige Sorgerecht gerechtfertigt?
Das alleinige Sorgerecht wird nur in Ausnahmefällen vergeben und kommt nur infrage, wenn das gemeinsame Sorgerecht nicht mehr praktikabel ist oder das Kindeswohl gefährdet wäre. Gründe können dauerhafte, unlösbare Konflikte zwischen den Eltern sein, die eine gemeinsame Entscheidungsfindung unmöglich machen, ebenso wie Vernachlässigung, Gewalt oder Missbrauch durch einen Elternteil.
Auch Suchtprobleme, psychische Erkrankungen, eine große räumliche Distanz oder fehlendes Interesse an der Erziehung des Kindes können eine Rolle spielen. Dabei gilt: Nicht jeder Streit führt automatisch zum Entzug des gemeinsamen Sorgerechts. Das Familiengericht entscheidet immer auf Basis von Beweisen, Gutachten und den Empfehlungen des Jugendamts.
So läuft das Verfahren ab
- Antragstellung beim Familiengericht
Der Elternteil, der das alleinige Sorgerecht möchte, stellt einen Antrag beim zuständigen Familiengericht am Wohnort des Kindes. Dies kann über einen Rechtsanwalt erfolgen (was dringend empfohlen wird) oder in Ausnahmefällen auch persönlich.
- Beteiligung des anderen Elternteils
Der andere Elternteil wird über den Antrag informiert und erhält Gelegenheit zur Stellungnahme. Ein Widerspruch führt dazu, dass das Verfahren vertieft geprüft wird.
- Einschaltung des Jugendamts
Das Jugendamt wird grundsätzlich einbezogen. Es prüft die Lebensumstände des Kindes und der Eltern und gibt eine Stellungnahme ab, die das Gericht in seine Entscheidung einbezieht.
- Anhörung des Kindes
Je nach Alter und Reife wird das Kind persönlich angehört. Ab etwa 14 Jahren ist dies die Regel, aber auch jüngere Kinder werden in geeigneter Form einbezogen, um ihre Wünsche und Wahrnehmungen zu berücksichtigen.
- Entscheidung des Gerichts
Nach Auswertung aller Unterlagen, Gespräche und Gutachten entscheidet das Gericht per Beschluss. Es kann das alleinige Sorgerecht gewähren, das gemeinsame belassen oder nur bestimmte Teilbereiche neu regeln.
Konsequenzen für den anderen Elternteil
Selbst wenn das alleinige Sorgerecht übertragen wird, bedeutet das nicht den vollständigen Ausschluss des anderen Elternteils. In der Regel bleibt das Umgangsrecht bestehen, damit das Kind weiterhin eine Beziehung zu beiden Elternteilen pflegen kann.
Der sorgeberechtigte Elternteil ist verpflichtet, den anderen über wichtige Entwicklungen des Kindes zu informieren – etwa über die Schule, Arztbesuche oder besondere Ereignisse. Das Ziel des Gesetzgebers ist, trotz der Alleinsorge das Band zwischen Kind und beiden Eltern zu erhalten, soweit dies möglich und gesund ist.
Teilbereiche des alleinigen Sorgerechts
Manchmal muss nicht das gesamte Sorgerecht übertragen werden. Das Gericht kann auch Teilbereiche auf einen Elternteil übertragen. Hierzu zählen etwa das:
- Aufenthaltsbestimmungsrecht: Wer bestimmt, wo das Kind lebt
- Gesundheitssorgerecht: Wer über medizinische Maßnahmen entscheidet
- Schulsorgerecht: Wer über Schulwahl und Bildungsweg entscheidet
Wichtig: Solche Teilübertragungen sind besonders dann sinnvoll, wenn die Eltern in bestimmten Bereichen kooperationsfähig bleiben, aber in einzelnen Punkten keine gemeinsame Linie finden.

Kosten und Dauer eines Sorgerechtsverfahrens
Die Kosten hängen vom Verfahrenswert ab, der sich meist zwischen 3.000 und 6.000 Euro bewegt. Daraus ergeben sich Gerichts- und Anwaltskosten. Eltern mit geringem Einkommen können Verfahrenskostenhilfe beantragen.
Die Dauer eines Verfahrens variiert je nach Komplexität. Ein einfacher Fall kann in wenigen Monaten abgeschlossen sein, während strittige Verfahren mit Gutachten oder mehreren Anhörungen über ein Jahr dauern können.
Tipps für Eltern, die das alleinige Sorgerecht anstreben
- Sachlich bleiben statt emotional werden: Familiengerichte reagieren sensibel auf Konflikte. Wer ruhig und lösungsorientiert auftritt, signalisiert Verantwortungsbewusstsein.
- Dokumentation hilft: Notieren Sie wichtige Ereignisse, Gespräche oder Probleme mit dem anderen Elternteil. So können Sie Ihre Position besser untermauern.
- Kindeswohl im Fokus: Argumentieren Sie niemals aus persönlicher Perspektive („Ich will…“), sondern mit Blick auf das Kind („Es wäre besser für das Kind, weil…“).
- Unterstützung suchen: Das Jugendamt, Beratungsstellen oder Mediatoren können helfen, Konflikte zu klären – manchmal ist eine gütliche Einigung möglich.
- Anwaltliche Hilfe nutzen: Ein Fachanwalt für Familienrecht kennt die formalen Hürden und kann den Antrag rechtssicher stellen.
Warum anwaltliche Unterstützung so wichtig ist
Ein Verfahren zum alleinigen Sorgerecht ist juristisch anspruchsvoll und emotional belastend. Ein erfahrener Familienrechtsanwalt kann helfen, die rechtliche Lage realistisch einzuschätzen, Beweise zu sichern und den Antrag professionell zu begründen.
Gerade weil das Kindeswohl immer im Mittelpunkt steht, sind die Anforderungen in diesem Bereich besonders hoch. Anwälte wissen, welche Unterlagen wichtig sind, wie man mit Gutachten oder Jugendamtsbewertungen umgeht und wie man Konflikte deeskaliert, bevor sie eskalieren.
Ein guter Anwalt ist dabei nicht nur juristischer Vertreter, sondern oft auch Vermittler und Schutzschild, also jemand, der hilft, Emotionen aus dem Verfahren herauszuhalten und auf eine sachliche Ebene zu bringen.
Die eigentliche Botschaft - Kindeswohl statt Elternkonflikt
Das alleinige Sorgerecht sollte nie als Sieg oder Niederlage verstanden werden. Es ist ein Instrument, um dem Kind ein stabiles Umfeld zu geben, wenn gemeinsames Handeln nicht mehr funktioniert. In manchen Fällen kann es den Alltag deutlich vereinfachen, etwa, wenn Entscheidungen sonst permanent blockiert werden oder der andere Elternteil nicht zuverlässig erreichbar ist.
Zugleich bleibt die Verantwortung groß: Der Elternteil mit Alleinsorge trägt sämtliche Pflichten allein. Entscheidungen müssen umsichtig und im Sinne des Kindes getroffen werden.
Fazit: Verantwortung braucht Klarheit
Das alleinige Sorgerecht ist kein Machtinstrument, sondern eine rechtliche Schutzmaßnahme. Es soll Kindern Sicherheit und Kontinuität geben, wenn das gemeinsame Sorgerecht nicht mehr funktioniert. Wer diesen Schritt geht, sollte sich gut vorbereiten, rechtlich beraten lassen und stets das Wohl des Kindes an erste Stelle setzen.
Denn am Ende geht es nicht um Gewinner oder Verlierer, sondern darum, dass das Kind in einem Umfeld aufwächst, das Stabilität, Liebe und Verlässlichkeit bietet. Und genau das ist der wahre Kern des Sorgerechts.



