Nachehelicher Unterhalt berechnen – So gehen Sie Schritt für Schritt vor

Wenn die gemeinsame Ehe endet, steht häufig eine Frage im Raum: „Wie viel nachehelichen Unterhalt muss ich zahlen – oder bekomme ich?“ Denn genau hier wird es oft kompliziert – zwischen Selbstbehalt, Bedarfsprüfung, Sonderzahlungen und der berühmten „Dreiteilungsmethode“. Wir erklären Ihnen, auf welche Punkte es ankommt – mit verständlichen Rechenbeispielen und nützlichen Tipps.

Das Wichtigste zur Berechnung auf einen Blick
  • Grundlage ist das bereinigte Nettoeinkommen beider Ex-Partner – Sonderzahlungen, Schulden & Abzüge inklusive.
  • Der Bedarf orientiert sich am ehelichen Lebensstandard – meist per 50/50-Split über die Dreiteilungsmethode.
  • Der Unterhalt berechnet sich aus dem Differenzbetrag der Einkommen – abzüglich Selbstbehalt.
  • Der Selbstbehalt schützt den zahlenden Partner: Mindestens 1.600 € bei Erwerbstätigen (Stand 2025).
  • Die Düsseldorfer Tabelle bietet Orientierung – aber keine starren Beträge für nachehelichen Unterhalt.

Das Fundament: Bereinigtes Nettoeinkommen richtig ermitteln

Bevor gerechnet werden kann, muss die Grundlage stimmen. Die Berechnung beginnt mit dem sogenannten „bereinigten Nettoeinkommen“. Das ist nicht einfach das Gehalt laut Lohnabrechnung, sondern ein Betrag, der um bestimmte Posten bereinigt wird.

So wird gerechnet:

  • Monatliches Nettoeinkommen
  • + Sonderzahlungen (z. B. Weihnachts- & Urlaubsgeld, Boni, vermögenswirksame Leistungen)
  • – berufsbedingte Aufwendungen (z. B. Fahrtkosten, Arbeitskleidung)
  • – ehebedingte Kredite oder Schulden
  • – Unterhaltspflichten gegenüber Kindern

Tipp: Auch Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit, Vermietung oder Kapitalanlagen müssen berücksichtigt werden. Bei Selbstständigen wird häufig der Dreijahresschnitt der Einkünfte herangezogen.

Bedarfsermittlung per Dreiteilungsmethode

Die bekannteste Methode zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts ist die sogenannte Dreiteilungsmethode. Sie kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn ein Ex-Partner wieder verheiratet ist oder weitere Unterhaltspflichten bestehen. Ziel ist es, eine gerechte Verteilung des Gesamteinkommens unter Berücksichtigung aller Beteiligten zu ermöglichen. Grundlage bildet zunächst die Addition der bereinigten Nettoeinkommen beider Ex-Partner. Ist Kindesunterhalt zu leisten, wird dieser vom Gesamtbetrag abgezogen. Anschließend wird der verbleibende Betrag in drei gleich große Teile aufgeteilt: Zwei Drittel stehen in der Regel dem wirtschaftlich stärkeren Ex-Partner zu, ein Drittel dem wirtschaftlich schwächeren.

Ein einfaches Beispiel: Der Ex-Mann verfügt über ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.800 Euro, die Ex-Frau über 1.400 Euro. Zusätzlich wird ein Kindesunterhalt in Höhe von 400 Euro gezahlt. Das Gesamteinkommen beträgt somit 5.200 Euro, abzüglich Kindesunterhalt verbleiben 4.800 Euro. Geteilt durch drei ergibt das einen Bedarf von 1.600 Euro. Da die Ex-Frau bereits 1.400 Euro verdient, steht ihr ein Aufstockungsunterhalt von 200 Euro zu.

Ein komplexeres Beispiel ergibt sich, wenn ein neuer Ehepartner ins Spiel kommt. Angenommen, der Ex-Mann verdient 4.200 Euro, die Ex-Frau 1.000 Euro, und die neue Ehefrau bringt ein Einkommen von 2.200 Euro ein. Zusammen ergibt das ein Gesamteinkommen von 7.400 Euro. Dieses wird wieder durch drei geteilt, was zu einem rechnerischen Bedarf von rund 2.466 Euro pro Person führt. Die Ex-Frau hätte somit einen Anspruch auf 2.466 Euro, abzüglich ihres eigenen Einkommens von 1.000 Euro ergibt sich ein rechnerischer Unterhaltsanspruch von 1.466 Euro. Ob dieser Anspruch jedoch in voller Höhe besteht, ist von der individuellen Bewertung des Gerichts abhängig – insbesondere im Hinblick auf Bedürftigkeit, Zumutbarkeit und bestehende Lebensverhältnisse. Solche erweiterten Konstellationen sind in der Praxis selten, zeigen jedoch, wie flexibel die Methode anwendbar ist.

Der Selbstbehalt – Unterhalt ja, aber nicht um jeden Preis

Ein wichtiger Schutzmechanismus für den Unterhaltspflichtigen ist der sogenannte Selbstbehalt. Er stellt sicher, dass niemand unter das Existenzminimum rutscht.

Stand 2025:

  • 1.600 € monatlich bei Erwerbstätigkeit
  • 1.475 € bei Nichterwerbstätigkeit

Liegt das bereinigte Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen unterhalb dieser Schwelle, muss kein nachehelicher Unterhalt gezahlt werden – oder nur ein anteiliger Betrag.

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Sonderfälle & Einflussfaktoren auf die Berechnung

Neben der Standardberechnung gibt es eine Reihe von Sonderfällen, die den Unterhaltsanspruch erheblich beeinflussen können. So spielt etwa eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit eine tragende Rolle: Kann der unterhaltsberechtigte Ex-Partner aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nur eingeschränkt arbeiten, steigt in der Regel der Bedarf. 

Die Gerichte prüfen in solchen Fällen genau, ob und in welchem Umfang eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist – häufig auf Basis ärztlicher oder sogar gutachterlicher Einschätzungen. Auch der sogenannte Betreuungsunterhalt ist ein wichtiger Faktor: Wird ein gemeinsames Kind betreut, das jünger als drei Jahre ist, kann unabhängig vom eigenen Einkommen ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bestehen. 

In solchen Fällen steht nicht die Leistungsfähigkeit, sondern das Kindeswohl im Vordergrund. Schließlich spielt auch die Dauer der Ehe eine gewichtige Rolle. Je länger eine Ehe bestanden hat, desto eher wird der während der Ehe erreichte Lebensstandard zum Maßstab für den Bedarf. Besonders bei Ehen, die über 20 Jahre andauerten, verzichten Gerichte in Einzelfällen sogar auf eine Kürzung des Unterhalts – insbesondere dann, wenn eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit vorlag.

Steuerliche Betrachtung: Brutto ist nicht gleich Netto

Bei der Berechnung zählen Nettoeinkommen, aber steuerliche Effekte spielen dennoch eine Rolle. Unterhalt kann unter bestimmten Umständen als Sonderausgabe abgesetzt werden – was die tatsächliche Belastung senken kann. Das gilt besonders, wenn der Unterhalt notariell beurkundet oder gerichtlich festgelegt ist.

Tipp: Lassen Sie sich steuerlich beraten – bei hohen Beträgen kann sich ein „Realsplitting“ lohnen.

Wann wird der Unterhalt reduziert oder gestrichen?

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt kann entfallen oder reduziert werden, wenn:

  • der/die Berechtigte eine neue Ehe eingeht oder eine verfestigte Lebensgemeinschaft besteht
  • sich das Einkommen deutlich verbessert
  • eine zumutbare Tätigkeit verweigert wird (Stichwort: Erwerbsobliegenheit)
  • Kinder älter werden und keine Betreuung mehr notwendig ist

Gerichtliche Anpassung ist in solchen Fällen möglich – auch rückwirkend. Wer zu viel gezahlt hat, kann unter Umständen Rückforderungen geltend machen.

Strategische Tipps für die Praxis

  • Transparenz schaffen: Sammeln Sie alle relevanten Einkommensnachweise frühzeitig – inklusive Kontoauszüge, Steuerbescheide und Nebeneinkünfte.
  • Bedarf realistisch prüfen: Rechnen Sie mit aktuellen Werten, aber berücksichtigen Sie auch Entwicklungspotenziale (z. B. bei Wiedereinstieg ins Berufsleben).
  • Individuell verhandeln: Nicht jede Lösung muss vor Gericht enden. Eine notariell beglaubigte Scheidungsfolgenvereinbarung kann Klarheit und Frieden schaffen.
  • Frühzeitig Fristen prüfen: Ansprüche können verwirken – etwa wenn sie über längere Zeit nicht geltend gemacht wurden.

Berechnung ist komplex – aber nicht undurchschaubar

Die konkrete Berechnung des nachehelichen Unterhalts ist keine bloße Rechenaufgabe, sondern eine Mischung aus rechtlichen Grundlagen, wirtschaftlicher Analyse und Einzelfallbewertung. Zwar helfen Methoden wie die Dreiteilungsmethode und Tabellenwerke wie die Düsseldorfer Tabelle – am Ende entscheiden aber oft individuelle Lebensverhältnisse.

Wenn Sie Unterhalt zahlen oder fordern wollen, ist es ratsam, fachkundigen Rat einzuholen. Denn falsch berechneter Unterhalt kann über Jahre hinweg gravierende finanzielle Folgen haben. Mit einem klaren Überblick, realistischen Zahlen und dem richtigen Partner an Ihrer Seite können Sie die Weichen richtig stellen.