Steuerhinterziehung & Verjährung: Wie lange der Staat noch zugreifen darf

Die Verjährung bei Steuerhinterziehung ist ein wichtiges, aber zugleich sehr komplexes Thema im deutschen Steuer- und Strafrecht. Viele Betroffene gehen davon aus, dass nach einigen Jahren „alles vorbei“ sei. Tatsächlich ist die Lage deutlich vielschichtiger: Strafverfolgung und steuerliche Nachforderung folgen jeweils eigenen Fristen und Ermittlungen und Prüfungen können diese Fristen erheblich verlängern. Wer mit dem Verdacht einer Steuerhinterziehung konfrontiert wird, sollte das Konzept der Verjährung vollständig verstehen. Wir zeigen Ihnen, worauf es dabei ankommt.

Die 5 wichtigsten Punkte zur Verjährung
  • Strafverfolgungsverjährung: in der Regel 5 Jahre, in schweren Fällen 10 Jahre
  • Steuerliche Festsetzungsverjährung: bei Hinterziehung regelmäßig 10 Jahre
  • Verjährung beginnt meist mit Abgabe oder Fälligkeit der fehlerhaften Steuererklärung
  • Ermittlungen können Fristen unterbrechen oder hemmen
  • Eine Selbstanzeige wirkt nur, wenn sie vollständig, rechtzeitig und fachkundig erstellt wird

Was gilt als Steuerhinterziehung?

Die Definition der Steuerhinterziehung findet sich in § 370 der Abgabenordnung (AO). Danach macht sich strafbar, wer gegenüber dem Finanzamt unrichtige oder unvollständige Angaben macht, steuerlich erhebliche Tatsachen verschweigt oder Erklärungen nicht abgibt, sodass Steuern verkürzt oder ungerechtfertigte Vorteile gewährt werden.

In der Praxis reichen die Fälle von nicht angegebenen Nebeneinkünften über falsch deklarierte Betriebsausgaben und private Nutzungsanteile bis hin zu verschwiegenen Kapitalerträgen, Auslandsdepots oder Gewinnen aus Kryptowährungen. Auch das verspätete oder gar unterlassene Abgeben von Steuererklärungen kann eine Straftat darstellen, wenn dadurch Steuern gekürzt werden.

So lange drohen strafrechtliche Sanktionen

Die sogenannte Strafverfolgungsverjährung entscheidet darüber, wie lange der Staat eine Steuerhinterziehung strafrechtlich verfolgen darf. Die Dauer richtet sich nach der Schwere der Tat.

„Normale Fälle” 

In den meisten Konstellationen gilt eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. Diese ist der Regelfall für einfache, nicht besonders schwere Hinterziehungen.

Besonders schwere Fälle 

Wird die Hinterziehung als besonders schwer gewertet, etwa wegen hoher Beträge, gewerbsmäßiger Begehung oder organisierter Strukturen, tritt eine zehnjährige Verjährungsfrist ein. Dies betrifft häufig Hinterziehungsbeträge ab 50.000 – 100.000 Euro, wobei die genaue Einordnung immer vom Gesamtbild des Einzelfalls abhängt.

Beginn der Verjährung

Die Frist beginnt regelmäßig mit Abgabe der unrichtigen Erklärung oder – bei unterlassenen Pflichten – mit Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist. Das bedeutet: Wer seine Einkommensteuererklärung 2019 im Jahr 2020 abgegeben hat, setzt die Verjährung erst ab diesem Zeitpunkt in Gang. Der Zeitraum der Verjährung hängt daher unmittelbar davon ab, wie und wann die Erklärung abgegeben wurde.

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Warum Fristen oft länger laufen als gedacht

Die größte Fehlerquelle in der Praxis ist die Annahme, dass die Verjährung einfach „abläuft“. Tatsächlich kann die Verjährung durch verschiedene Maßnahmen unterbrochen werden und beginnt dann von Neuem zu laufen.

Zu den wichtigsten Unterbrechungshandlungen gehören:

  • die Einleitung eines Strafverfahrens,
  • die Durchsuchung von Wohn- oder Geschäftsräumen,
  • die Anhörung als Beschuldigter,
  • richterliche Beschlüsse und bestimmte Ermittlungsmaßnahmen.

Wichtig: Wird eine Unterbrechung wirksam, läuft die Verjährung komplett neu an. Das bedeutet: Eine Hinterziehung, die sich eigentlich dem Ende der strafrechtlichen Verjährung nähert, kann durch eine einzige Ermittlungsmaßnahme erneut um bis zu fünf oder zehn Jahre verlängert werden.

 So kommt es in komplexen Fällen häufig dazu, dass strafrechtliche Verjährungszeiträume tatsächlich weit über ein Jahrzehnt hinausreichen. Für Betroffene ist der genaue Blick in die Ermittlungsakte daher essenziell, denn nur so lässt sich feststellen, ob und wann eine Verjährungsunterbrechung vorliegt.

Wann darf das Finanzamt noch nachfordern?

Eine strafrechtliche Verjährung bedeutet nicht automatisch, dass keine Steuern mehr nachgefordert werden dürfen. Es gibt demnach keinen „Reset-Button”. Neben der Strafverfolgungsverjährung existiert die steuerliche Festsetzungsverjährung.

Festsetzungsverjährung bei Hinterziehung: 10 Jahre

Wenn eine Steuer vorsätzlich hinterzogen wurde, kann das Finanzamt noch zehn Jahre rückwirkend Steuern festsetzen. Die Frist beginnt am Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist oder die Erklärung hätte abgegeben werden müssen.

Unterschied zur Strafverjährung

Während die strafrechtliche Verjährung von Unterbrechungshandlungen getrieben wird, wird die steuerliche Verjährung gehemmt, etwa durch:

  • Außenprüfungen,
  • Einspruchsverfahren,
  • eingeleitete Steuerstrafverfahren.

Die Konsequenz: Steuerlich relevante Fristen verlängern sich oft weit über den „typischen“ Zehnjahreszeitraum hinaus. Dies gilt insbesondere, wenn über Jahre hinweg Prüfungen und Ermittlungen stattfinden.

Praxisnahe Beispiele: Es kommt auch den Einzelfall an

Beispiel 1: Nicht erklärte Bareinnahmen

Ein Gastronom gibt über Jahre hinweg nicht alle Umsätze an. Acht Jahre später findet eine Betriebsprüfung statt, die Einnahmelücken offenlegt. Strafrechtlich könnten einzelne Jahre bereits verjährt sein, andere jedoch nicht. Steuerlich darf das Finanzamt dennoch für den gesamten Zehnjahreszeitraum nachfordern, zuzüglich Zinsen.

Beispiel 2: Kryptowährungen

Eine Privatperson verkauft Bitcoin und erzielt hohe Gewinne, meldet diese aber nicht in der Steuererklärung. Selbst wenn bestimmte Hinterziehungen strafrechtlich bereits verjährt sind, können Steueransprüche noch lange bestehen. In der Praxis bedeutet das: Trotz strafrechtlicher Verjährung müssen die Gewinne nacherklärt und versteuert werden.

Selbstanzeige: Chance auf Straffreiheit, aber kein Selbstläufer

Die Selbstanzeige nach § 371 AO bietet Betroffenen die Möglichkeit, Straffreiheit zu erlangen. Allerdings nur, wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Vollständige Offenlegung aller unverjährten Taten
  • Rechtzeitige Abgabe, bevor die Tat entdeckt wurde
  • Lückenlose Nachzahlung aller Steuern und Zinsen
  • Fachgerechte Erstellung ohne Auslassungen

Schon kleine Fehler (etwa ein nachträglich „vergessenes“ Jahr oder eine nicht berücksichtigte Einnahme) können die Selbstanzeige insgesamt unwirksam machen. Die Behörden werten unvollständige Selbstanzeigen regelmäßig als Schuldeingeständnis, was zu härteren Strafen führen kann.

Wer eine Selbstanzeige in Erwägung zieht, sollte daher unbedingt juristischen Rat einholen, damit keine formalen Fehler passieren und der Schutz der Straffreiheit gewahrt bleibt.

Warum professionelle Beratung bei Verjährung so wichtig ist

Die Frage der Verjährung ist in Steuerstrafverfahren ein taktisch äußerst bedeutender Ansatzpunkt. Weil mehrere Verjährungsarten parallel laufen, weil Fristen unterschiedlich beginnen und weil Ermittlungen Fristen verlängern, lässt sich ohne professionelle Akteneinsicht kaum beurteilen, welche Zeiträume betroffen sind und welche bereits verjährt sein könnten.

Eine spezialisierte Kanzlei prüft insbesondere:

  • welche Erklärungen abgegeben oder unterlassen wurden,
  • wann die jeweiligen Fristen begonnen haben,
  • ob Unterbrechungshandlungen vorliegen,
  • welche Jahre strafrechtlich und welche steuerlich offen sind,
  • welche Handlungsmöglichkeiten bestehen (Selbstanzeige, Verteidigungsstrategie, Schadensbegrenzung).

Wir fassen zusammen

Steuerhinterziehung ist kein Bagatelldelikt und die Verjährung ist kein Selbstläufer. Die Frage, wie lange der Staat ermitteln und Steuern nachfordern darf, hängt von zahlreichen Faktoren ab und lässt sich nur nach einer detaillierten Prüfung sicher beantworten. Da Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht durch jede Ermittlungsmaßnahme neu zu laufen beginnen können, sollten Betroffene frühzeitig eine spezialisierte Kanzlei einschalten. Eine rechtssichere Bewertung der persönlichen Situation schützt vor Fehlentscheidungen, verhindert unnötige Risiken und ermöglicht eine klare Strategie im Umgang mit Finanzamt und Staatsanwaltschaft.