- Nachehelicher Unterhalt ist kein Automatismus – er muss aktiv eingefordert und begründet werden.
- Ein Anspruch besteht nur, wenn bestimmte gesetzliche Voraussetzungen (§ 1570 ff. BGB) erfüllt sind.
- Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach dem Einkommensunterschied und den Lebensverhältnissen während der Ehe.
- Das Prinzip der Eigenverantwortung steht im Vordergrund – jeder Ex-Ehepartner ist grundsätzlich für sich selbst verantwortlich.
- Die Düsseldorfer Tabelle 2025 wird zur Orientierung genutzt – insbesondere bei der Bedarfsermittlung.
Was ist nachehelicher Unterhalt?
Beim nachehelichen Unterhalt handelt es sich um eine finanzielle Leistung, die ein Ex-Ehepartner dem anderen nach der Scheidung schuldet – vorausgesetzt, es besteht ein rechtlicher Anspruch. Anders als beim Trennungsunterhalt endet dieser Unterhaltsanspruch nicht automatisch, sondern muss begründet werden. Das zentrale Prinzip lautet: Nach der Ehe soll jeder Ex-Partner für sich selbst sorgen. Nur wenn das aus bestimmten Gründen nicht möglich oder zumutbar ist, greift das Unterhaltsrecht.
Voraussetzungen für den Anspruch
Der nacheheliche Unterhalt ist in den §§ 1570–1576 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt. Dort sind sieben Fallgruppen definiert, bei denen ein Anspruch entstehen kann. Sie müssen nicht alle erfüllt sein – es genügt bereits eine:
- Betreuung gemeinsamer Kinder (§ 1570 BGB):Der häufigste Fall: Ein Elternteil betreut nach der Scheidung ein oder mehrere Kinder unter 3 Jahren. In Ausnahmefällen kann der Anspruch auch über das dritte Lebensjahr hinaus bestehen (etwa bei Behinderungen, besonderem Förderbedarf etc.).
- Alter (§ 1571 BGB): Wenn aufgrund des Alters keine Erwerbstätigkeit mehr zumutbar ist.
- Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB): Bei nachgewiesener dauerhafter Erwerbsunfähigkeit infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen.
- Arbeitslosigkeit trotz intensiver Bemühungen (§ 1573 Abs. 1 BGB): Wenn jemand trotz ernsthafter Bemühungen keinen Job findet.
- Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB): Wenn eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, deren Einkommen aber nicht ausreicht, um den ehelichen Lebensstandard aufrechtzuerhalten.
- Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 BGB): Wenn nach der Ehe eine Qualifizierung notwendig ist, um beruflich wieder Fuß zu fassen.
- Billigkeitsgründe (§ 1576 BGB): Sonderfälle, wenn eine Versagung des Unterhalts unbillig wäre (z. B. lange Ehe mit starker wirtschaftlicher Abhängigkeit).
Wichtig: Der Anspruch ist nicht automatisch gegeben, sondern muss individuell geprüft und begründet werden.
So wird der nacheheliche Unterhalt berechnet
Die Berechnung folgt keinem starren Muster, sondern richtet sich nach der individuellen Situation. Dennoch gibt es anerkannte Rechenmethoden, die bundesweit zur Orientierung herangezogen werden – allen voran die sogenannte Dreiteilungsmethode sowie die Düsseldorfer Tabelle.
- Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens beider Ex-Partner
Zunächst wird das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen beider Parteien ermittelt – inklusive Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, abzüglich berufsbedingter Aufwendungen, Kreditraten (soweit ehebedingt) und Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern.
- Berechnung des eheangemessenen Bedarfs
Der eheangemessene Lebensstandard dient als Maßstab. Häufig gilt dabei der Grundsatz der 50/50-Aufteilung: Beide Ex-Partner haben Anspruch auf die Hälfte des addierten bereinigten Nettoeinkommens (abzüglich Kindesunterhalt). Verdient einer mehr, entsteht ein Differenzbetrag – der sogenannte Bedarfsausgleich.
Beispiel (vereinfacht):
- Ex-Mann: 4.000 € bereinigtes Nettoeinkommen
- Ex-Frau: 1.200 € bereinigtes Nettoeinkommen
- Differenz: 2.800 €, geteilt durch zwei = 1.400 €
- Anspruch der Ex-Frau: 1.400 € – 1.200 € = 200 € Aufstockungsunterhalt
Je nach Fallkonstellation kann der tatsächliche Unterhalt höher oder niedriger ausfallen – etwa wenn Betreuungsunterhalt oder Erwerbsunfähigkeit hinzukommen.
- Selbstbehalt und Leistungsfähigkeit
Niemand muss sich selbst finanziell ruinieren, um Unterhalt zu zahlen. Der zahlende Ex-Partner darf einen gewissen Betrag behalten – den sogenannten Selbstbehalt. Dieser beträgt laut Düsseldorfer Tabelle im Regelfall:
- 1.600 € monatlich bei Erwerbstätigkeit
- 1.475 € bei Nichterwerbstätigkeit
Liegt das Einkommen unterhalb dieser Grenze, ist in der Regel kein nachehelicher Unterhalt zu leisten.
Dauer des nachehelichen Unterhalts
Seit der Reform des Unterhaltsrechts im Jahr 2008 gilt: Unterhalt ist grundsätzlich befristet. Eine lebenslange Zahlung gibt es nur noch in Ausnahmefällen, etwa bei Krankheit, hohem Alter oder sehr langen Ehen mit starker wirtschaftlicher Abhängigkeit. Gerichte setzen häufig Befristungen zwischen 2 und 7 Jahren an – mit der Maßgabe, dass der/die Berechtigte wieder auf eigenen Beinen steht. In Ausnahmefällen kann auch ein unbefristeter Unterhalt zugesprochen werden, etwa bei einer 30-jährigen Ehe mit traditioneller Rollenverteilung (z. B. Hausfrauenehe).
Die genaue Dauer richtet sich nach:
- der Länge der Ehe
- dem Grund für den Unterhaltsanspruch
- dem Alter der betreuten Kinder
- der Fähigkeit zur Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit
Muss ich für den Unterhalt vor Gericht ziehen?
Nein, in vielen Fällen kann der Unterhalt einvernehmlich im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt werden. Diese wird vor einem Notar oder im Rahmen des Scheidungstermins protokolliert. Eine solche Einigung spart Zeit, Geld und Nerven – insbesondere wenn beide Parteien kooperationsbereit sind.
Kommt es jedoch zu keiner Einigung, muss der Unterhalt gerichtlich eingeklagt werden. Das Familiengericht prüft dann alle Voraussetzungen, Einkommen und Nachweise und trifft eine Entscheidung.

Aktuelle Entwicklungen
Die Düsseldorfer Tabelle 2025 hat einige relevante Anpassungen erfahren:
- Der Selbstbehalt wurde leicht angehoben (Inflationsausgleich).
- Die Leistungsfähigkeit des zahlenden Ex-Partners wird strenger geprüft – insbesondere bei Selbstständigen.
- Die Rechtsprechung der letzten Jahre zeigt einen klaren Trend zur Verkürzung von Unterhaltsansprüchen, wenn eine rasche Wiedereingliederung in den Beruf zumutbar ist.
Gleichzeitig wächst die Bedeutung von Betreuungsunterhalt, wenn sich Eltern nach der Scheidung die Kinderbetreuung nicht gleichwertig teilen.
Häufige Irrtümer
Viele Menschen glauben, dass der besserverdienende Partner immer automatisch zahlen muss. Das stimmt nicht. Nur wenn ein rechtlich anerkannter Unterhaltsgrund vorliegt und der/die andere nicht leistungsfähig ist, entsteht überhaupt ein Anspruch.
Auch die Vorstellung, dass Unterhalt ein „Dauerrecht“ sei, ist veraltet. Die Gerichte urteilen zunehmend im Sinne des Eigenverantwortungsprinzips – wer arbeiten kann, soll es auch tun.
Gute Vorbereitung spart Streit und Kosten
Die Berechnung des nachehelichen Unterhalts ist ein komplexes Thema mit vielen Variablen. Wichtig ist, dass Sie Ihre eigene finanzielle Situation realistisch einschätzen und frühzeitig rechtlichen Rat einholen, wenn ein Anspruch besteht – oder abgewehrt werden soll.
Vertrauen Sie nicht auf pauschale Aussagen oder Halbwissen. Denn jeder Fall ist anders – und das deutsche Unterhaltsrecht erlaubt viel Gestaltungsspielraum. Ein klarer Überblick, fundierte Informationen und gegebenenfalls eine anwaltliche Beratung helfen Ihnen dabei, Ihre Rechte durchzusetzen oder unberechtigte Forderungen abzuwehren.
Wenn Sie bereits geschieden sind oder die Scheidung unmittelbar bevorsteht, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich mit dem Thema „nachehelicher Unterhalt“ auseinanderzusetzen – nicht erst, wenn der Streit vor der Tür steht.