- Automatisch bei jeder Scheidung: Der Versorgungsausgleich wird vom Familiengericht grundsätzlich automatisch durchgeführt – es sei denn, beide Ehepartner verzichten ausdrücklich.
- Betrifft Renten & Altersvorsorge: Es geht um gesetzliche, betriebliche und private Rentenansprüche, die während der Ehe erworben wurden.
- Die Ehezeit ist entscheidend: Nur die Rentenanwartschaften, die während der Ehezeit aufgebaut wurden, werden berücksichtigt.
- Auch private Vorsorge wird einbezogen: Riester-Renten, Pensionskassen oder Betriebsrenten fließen in die Berechnung ein.
- Expertenberatung empfehlenswert: Die Regelungen sind komplex – eine anwaltliche oder rentenrechtliche Beratung kann spätere Nachteile vermeiden.
Was ist der Versorgungsausgleich?
Der Versorgungsausgleich ist ein rechtliches Verfahren zur Aufteilung der während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften. Ziel ist es, beide Ehepartner im Hinblick auf die Altersversorgung gleichzustellen. Wer während der Ehe beispielsweise als Hauptverdiener gearbeitet und Rentenansprüche aufgebaut hat, muss bei einer Scheidung damit rechnen, einen Teil davon an den Ex-Partner abzutreten.
Die gesetzliche Grundlage findet sich im Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG). Das Familiengericht prüft bei der Scheidung automatisch, welche Versorgungsansprüche vorhanden sind und wie sie ausgeglichen werden müssen. Der Versorgungsausgleich erfolgt grundsätzlich unabhängig vom Güterstand (also auch bei Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung oder Gütergemeinschaft)
Diese Anwartschaften werden berücksichtigt
Der Versorgungsausgleich bezieht sich ausschließlich auf Anwartschaften und Ansprüche auf eine Alters- oder Invaliditätsversorgung, die während der Ehezeit entstanden sind. Das bedeutet: Es wird genau geprüft, welche rentenähnlichen Leistungen von den Ehepartnern in der gemeinsamen Zeit aufgebaut wurden. Dabei ist es nicht entscheidend, ob die Renten später tatsächlich bezogen werden – maßgeblich ist der Erwerb der Anwartschaften während der Ehe.
Folgende Versorgungssysteme und Vorsorgeformen fallen unter den Versorgungsausgleich:
1. Gesetzliche Rentenversicherung
Der Klassiker unter den Altersvorsorgen in Deutschland. Hier werden während der Berufstätigkeit sogenannte Entgeltpunkte (Rentenpunkte) gesammelt, die später die Höhe der gesetzlichen Rente bestimmen. Alle Rentenpunkte, die während der Ehe erworben wurden, werden bei der Scheidung berücksichtigt. Die Deutsche Rentenversicherung übermittelt dem Familiengericht die entsprechenden Werte.
2. Betriebliche Altersvorsorge (bAV)
Arbeitnehmer, die eine betriebliche Altersversorgung abgeschlossen haben – etwa durch Direktversicherungen, Pensionskassen, Pensionsfonds oder Unterstützungskassen – bauen ebenfalls Rentenanwartschaften auf. Diese Versorgungsansprüche zählen vollumfänglich zum Versorgungsausgleich, sofern sie während der Ehezeit entstanden sind.
Besonders wichtig: Auch arbeitgeberfinanzierte oder gemischt finanzierte Modelle der bAV sind relevant. Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass hierüber teils erhebliche Kapitalwerte zusammenkommen, die beim Ausgleich eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen können.
3. Private Rentenversicherungen
Private Vorsorgeverträge wie klassische Rentenversicherungen, fondsgebundene Rentenversicherungen oder indexgebundene Modelle, die auf eine lebenslange Rentenzahlung ausgelegt sind, fallen ebenfalls unter den Versorgungsausgleich. Hierbei ist wichtig, dass es sich um eine rentenförmige Auszahlung handelt und der Vertrag auf Alters- oder Berufsunfähigkeit ausgerichtet ist.
4. Beamtenversorgung und Versorgungswerke
Beamte erwerben während ihrer Dienstzeit Pensionsansprüche, die nicht in Rentenpunkten, sondern in Besoldungsgruppen und ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten berechnet werden. Auch diese Ansprüche unterliegen dem Versorgungsausgleich. Gleiches gilt für Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke – etwa Ärzte, Apotheker, Architekten oder Rechtsanwälte –, deren Altersversorgung über eigene Versorgungseinrichtungen geregelt ist.
Da diese Systeme andere Berechnungsgrundlagen nutzen als die gesetzliche Rentenversicherung, sind hier besonders präzise Wertermittlungen durch die jeweiligen Versorgungsträger notwendig.
5. Riester- und Rürup-Renten
Diese vom Staat geförderten Vorsorgeformen dienen ebenfalls der Altersabsicherung und sind daher vollständig ausgleichspflichtig – vorausgesetzt, sie sind auf eine Rentenzahlung ausgerichtet. Auch hier ist wichtig, dass nur die während der Ehe eingezahlten Beiträge berücksichtigt werden.
6. Öffentliche und kirchliche Zusatzversorgung
Wer bei öffentlich-rechtlichen oder kirchlichen Trägern angestellt ist, zahlt häufig in eine Zusatzversorgungskasse ein (z. B. VBL – Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder). Auch diese Anwartschaften sind ausgleichspflichtig, da sie eine spätere Rente absichern.
Nicht berücksichtigt werden:
- Kapitallebensversicherungen mit Einmalzahlung, sofern keine Rentenoption besteht
- Sparpläne, Aktien, Immobilien oder Vermögenswerte, die nicht als Rentenabsicherung dienen
- Vermögenswirksame Leistungen, die nicht in eine rentenrelevante Anlageform geflossen sind
Diese Vermögensarten unterliegen stattdessen – sofern ein entsprechender Güterstand vereinbart ist – dem Zugewinnausgleich.

So wird der Ausgleich berechnet
Der maßgebliche Zeitraum ist die sogenannte Ehezeit – das heißt der Zeitraum zwischen dem Beginn des Monats der Eheschließung und dem Ende des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags.
Beide Ehepartner müssen bei der Scheidung eine Auskunft über ihre bestehenden Rentenanwartschaften abgeben. Die zuständigen Versorgungsträger (z. B. Deutsche Rentenversicherung, private Anbieter) werden dann vom Gericht zur Mitwirkung verpflichtet.
Beispielhafte Berechnung:
- Ehefrau A erwirbt in der Ehezeit 30 Rentenpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung.
- Ehemann B erwirbt im gleichen Zeitraum 10 Rentenpunkte.
- Der Differenzbetrag von 20 Punkten wird hälftig aufgeteilt.
- Ergebnis: Ehefrau A gibt 10 Punkte ab, Ehemann B erhält 10 Punkte hinzu.
Dieser interne Ausgleich erfolgt unmittelbar bei den jeweiligen Versorgungsträgern – ohne Geldfluss zwischen den Ex-Partnern. Bei privaten Vorsorgemodellen kann auch ein externer Ausgleich stattfinden, bei dem das Kapital auf einen neuen Versorgungsträger übertragen wird.
Wann entfällt der Versorgungsausgleich?
In bestimmten Fällen kann der Versorgungsausgleich entfallen oder angepasst werden:
- Kurze Ehen (unter 3 Jahren): Hier wird der Versorgungsausgleich nur auf Antrag durchgeführt.
- Verzicht im gegenseitigen Einvernehmen: Ehepartner können durch notarielle Vereinbarung oder im Scheidungsverfahren auf den Ausgleich verzichten – etwa bei annähernd gleichen Rentenanwartschaften oder bei anderweitiger finanzieller Kompensation.
- Unbilligkeit: Das Gericht kann den Versorgungsausgleich ausschließen, wenn dieser in einem konkreten Fall als grob unbillig erscheint (z. B. bei schwerwiegender Pflichtverletzung).
Der Versorgungsausgleich als Schutz vor der Altersarmut
Auch wenn viele den Fokus bei der Scheidung auf Unterhalt, Sorgerecht oder Vermögensaufteilung legen – der Versorgungsausgleich ist langfristig oft der finanziell bedeutendste Punkt. Besonders betroffen sind:
- Ehepartner in Teilzeit oder mit längeren Erwerbsunterbrechungen (z. B. wegen Kindererziehung)
- Selbstständige ohne gesetzliche Rentenversicherung
- Paare mit großer Einkommensdifferenz
Ein gerechter Versorgungsausgleich schützt vor Altersarmut und stellt sicher, dass keiner der beiden Ehepartner durch die gemeinsame Lebensführung benachteiligt wird.
Darum ist professionelle Beratung beim Versorgungsausgleich oft unverzichtbar
Der Versorgungsausgleich zählt zu den technisch und juristisch anspruchsvollsten Aspekten einer Scheidung. Insbesondere dann, wenn mehrere Versorgungsträger beteiligt sind oder zusätzlich private Vorsorgemodelle wie Rentenversicherungen, Betriebsrenten oder Versorgungswerke vorliegen, wird die Berechnung schnell unübersichtlich. In solchen Fällen ist es äußerst empfehlenswert, auf die Unterstützung spezialisierter Fachleute zurückzugreifen.
Anwälte für Familienrecht, zertifizierte Rentenberater oder Notare helfen dabei, die Anwartschaften korrekt zu ermitteln, offen zu legen und bewerten zu lassen. Sie prüfen außerdem, ob es Möglichkeiten gibt, durch Vereinbarungen von der gesetzlichen Regelung abzuweichen – etwa durch einen einvernehmlichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs, eine Modifikation zugunsten eines Ehepartners oder durch Kompensationszahlungen in anderer Form. Auch die Kommunikation mit den Versorgungsträgern, die juristische Prüfung der übermittelten Daten und die Einhaltung formaler Fristen übernehmen Experten zuverlässig.
Besonders dringlich wird professionelle Hilfe, wenn die Ehe einen internationalen Bezug hat oder ein Ehepartner selbstständig tätig ist und keine Rentenansprüche über die gesetzliche Rentenversicherung aufgebaut hat. Hier gelten oft Sonderregelungen, die nur mit entsprechender Erfahrung korrekt eingeordnet werden können.
Wer den Versorgungsausgleich als bloßen Formalakt abtut, riskiert langfristige finanzielle Nachteile – entweder durch fehlerhafte Berechnungen oder durch das Versäumnis, eigene Ansprüche vollständig geltend zu machen. Eine fundierte Beratung schafft hier nicht nur Klarheit, sondern sorgt auch für eine faire und nachhaltige Lösung beider Seiten.
Wir fassen zusammen: Nicht unterschätzen – und gut vorbereiten
Der Versorgungsausgleich ist kein Randthema – sondern ein zentraler Baustein für die Altersabsicherung nach einer Scheidung. Er schafft Gerechtigkeit zwischen den Ex-Partnern und verhindert, dass einer von beiden im Alter in eine finanzielle Schieflage gerät. Auch wenn der Prozess häufig automatisch durch das Gericht eingeleitet wird: Transparenz, Dokumentation und ggf. professionelle Beratung machen den Unterschied.
Wer sich frühzeitig mit dem Thema beschäftigt und sich im Zweifel juristisch oder rentenrechtlich beraten lässt, vermeidet nicht nur Fehler, sondern schafft auch klare Verhältnisse – zum Wohle beider Seiten.